Freitag 13. Juli 2012 sucht Norbert Denef Gespräch mit der SPD

Norbert Denef, Sprecher des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V. mit Sitz in Scharbeutz, befindet sich seit dem 8. Juni 2012 im unbefristeten Hungerstreik. Ihm schlossen sich eine Reihe von Unterstützern an, darunter Christiane Kieburg, Katharina M., Anette W., Alwin Michel, Wilfried Fesselmann und Brigitte Lunzer Rieder aus Österreich. Wegen Unterlassungsklagen der Täter können nicht alle Namen genannt werden.

Das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V., kurz netzwerkB, ist eine Vereinigung von und für Menschen, denen sexualisierter Gewalt, oftmals verbunden mit Formen von psychischer und physischer Gewalt angetan wurde, einmalig, mehrmalig bis hin zu jahrelang systematisch, im Säuglings-, Kindes-, Jugendlichen oder Erwachsenenalter. Sie wurde 2010 in Scharbeutz gegründet. Die Vereinigung arbeitet bundesweit, sie besteht aus einem Bundesvorstand, Landesgruppen und der Mitgliederversammlung. Sie versteht sich als Interessenvertretung der Opfer und ihrer Angehörigen. Sie setzt sich für die Aufklärung und Prävention ein.

Ihr Sprecher, Norbert Denef, ist wie unzählige anderer Mitglieder der Vereinigung in seiner Kindheit und Jugend über acht Jahre lang Opfer sexualisierter Gewalt geworden, in diesem Falle durch zwei Mitglieder einer kirchlichen Organisation. Ihm gelang es wie vielen Opfern lange Zeit nicht, sich aus den Strukturen zu lösen. Er ließ sich von einem der Täter sogar trauen. Er brauchte 35 Jahre und die Unterstützung seiner Kinder, um überhaupt im Kreise seiner engsten Familie über das ihm zugefügte Leid erstmals sprechen zu können. Beide Täter gestanden ihre Taten schriftlich. Beide Täter können nicht mehr belangt werden.

netzwerkB setzt sich für die Aufhebung der zivilrechtlichen Fristen ein, damit Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche zum Beispiel vor dem Hintergrund der hohen Therapiekosten den Opfern möglich bleiben und nicht sämtliche Kosten auf die Gesellschaft abgewiesen werden. Die Opfer sexualisierter Gewalt leiden lebenslang. Die gesundheitlichen Folgen sind gravierend, viele leiden unter einem Komplexen Posttraumatischen Belastungssyndrom (K-PTBS). Der einklagbare Anspruch auf Unterstützung und Entschädigung darf für Gewaltopfer nicht verjähren.

netzwerkB fordert die Aufhebung der Fristen im Strafrecht, weil eine Reihe von Fällen beweisen, dass anhand der Forensik, Zeugenaussagen, Funde von Tagebüchern, Dias, Filmen und nicht zuletzt auch oftmals Geständnissen der Täter selbst eine Feststellung der Verbrechen vor Gericht möglich ist. Oftmals gelingt es den Opfern erst Jahrzehnten nach der Tat, die Mauern von Scham, Angst und tatsächlicher Isolation im eigenen Umfeld zu durchbrechen. Letzteres gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, die jahrelang in den Verbrechensstrukturen systematischen Missbrauchs gefangen waren.

In der jetzigen Form bedeuten die Verjährungsfristen bei sexualisierter Gewalt (und auch anderen Formen der Gewalt, bei denen Menschen langfristig zu Schaden oder sogar ums Leben kommen) einen staatlichen Täterschutz. Sogar Serientäter, denen dutzende oder sogar hunderte Taten nachgewiesen werden können, bleiben unbelangt und werden in keiner
Weise zur Verantwortung gezogen. Die Opfer werden unter Androhungen rechtlicher Schritte durch die Täter oder durch die Institutionen, bei denen sie beschäftigt sind oder waren, zum Schweigen gezwungen. Eine Abschaffung der Verjährungsfristen würde den Betroffenen das Recht auf Anerkennung sichern und den Anspruch auf Unterstützung erhalten. In der Gesellschaft wäre es ein Signal, die Taten nicht länger juristisch als eine Bagatelle zu behandeln.

Am 6. Dezember 2011 gab die Sozialdemokratische Partei Deutschlands dem Sprecher von netzwerkB, Norbert Denef, auf dem Bundesparteitag die Gelegenheit über sein eigenes Schicksal zu sprechen und das Anliegen von netzwerkB bezüglich der strafrechtlichen Fristen darzustellen [Link: http://youtu.be/j3sUibSUnu0]. Die Anwesenden stimmten im Anschluss einstimmig dafür, ihre abwehrende Haltung gegenüber einer Aufhebung der Verjährungsfristen aufzugeben und die Forderung nach einer völligen Aufhebung zu unterstützen.

Der Gesetzesentwurf der SPD („Gesetzentwurf zur Verlängerung der straf- und zivilrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen“, Bundestagsdrucksache 17/3646 vom 9. November 2010, http://dip.bundestag.de/btd/17/036/1703646.pdf) wurde vom Bundesparteitag zurücküberwiesen zwecks Überarbeitung. Die Drucksache sieht nur eine Verlängerung der Fristen im strafrechtlichen- und zivilrechtlichen Bereich vor, nicht jedoch deren Aufhebung.

Für die Opfer stellte sich dieser Beschluss wie ein aufrichtiges Ehrenwort dar. Norbert Denef bot danach vielen Mitgliedern der Bundestagsfraktion der SPD das Gespräch und die Unterstützung an, den Beschluss des Bundesparteitags vom 6. Dezember 2011 umzusetzen.

Am 28. März 2012 erklärte der rechtspolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka, gegenüber netzwerkB, der Gesetzeentwurf werde unverändert bleiben. Man habe keine Mehrheit, erklärte zum Beispiel Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, SPD, später gegenüber Vertreterinnen von netzwerkB.

Nach nunmehr sechs Monaten waren keine Anstrengungen und keine Fortschritte bei der SPD zu verzeichnen. Seit dem 8. Juni 2012 befindet sich Norbert Denef im Hungerstreik, ein Signal an alle Parteien und die gesamte Politik. Er geht den Weg des Hungerstreiks, weil den Betroffenen kein anderer Weg bleibt, um auf ihre Not aufmerksam zu machen.

Der Gesetzesentwurf von CDU, CSU und FDP (Bundesdrucksache 17/6261, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/062/1706261.pdf) sieht ähnlich unzureichende Veränderungen im zivilrechtlichen Bereich vor, die mangels Veränderungen im strafrechtlichen Bereich, aber in der Praxis nicht greifen könnten. Ohne Veränderungen im Strafrecht würden die Rechte der Opfer nicht wirklich gestärkt.

Am Freitag 13. Juli 2012 sucht Norbert Denef das Gespräch mit Vertretern der SPD mit dem Ziel, die SPD erneut zu motivieren, sich auf die Seite der Betroffenen zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Denef

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ICH BIN IM HUNGERSTREIK

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